Buchempfehlungen
Lucy Pollok: «Das Buch über das Älterwerden – Für Leute, die nicht darüber sprechen wollen»
DuMont, Köln, 2021. 346 S.
Lucy Pollok ist eine faszinierende Ärztin. Der nur medizinische Blick genügt ihr nicht. Was hilft dem Leben? Das ist ihre Frage, und: Was hilft, gut älter zu werden, auch wenn man nur ungern über das Älterwerden spricht.
Man spürt, wie gern Lucy Pollok mit alten Menschen unterwegs ist. An einer Stelle fasst sie kurz und bündig zusammen: «Seit fast 30 Jahren lerne ich nun schon von sehr alten Menschen … ich liebe meine Arbeit». Ihre Frage lautet in Tiefsten nicht: «Wie geht es Ihnen / Was fehlt Ihnen?» Sondern: «Was ist Ihnen wichtig?»
Lucy Pollok lernt viel von sehr alten Menschen. Gleichzeitig lernt sie aber auch viel aus hilfreichem und weniger hilfreichem Handeln von Kollegen und Kolleginnen. Bei und mit ihnen hat sie u.a. fünf wesentliche Dimensionen gelernt und fasst sie als die «5M’s» zusammen: Mentalität – Mobilität – Medikation – Multi-Komplexität – «Matter mosts», deutsch: Was ist mir am wichtigsten? Dazu bringt Pollok zahllose Beispiele, anhand derer nicht nur Ärzte und Ärztinnen viel lernen, sondern auch Söhne und Töchter, haupt- und ehrenamtliche Begleiter und Begleiterinnen sowie generell Interessierte. Sehr empfehlenswert.
Verfasser: Markus Müller
Malte Cramer und Peter Wick: «Alter und Altern in der Bibel - Exegetische Perspektiven auf Altersdiskurse im Alten und Neuen Testament»
Ergebnisse Tagung 6.-7.10.2021 – Kohlhammer, Stuttgart, 2021. 204 Seiten
Wer gerne biblisch fundiert zum Thema Alter und Älterwerden liest, findet hier etwas vom Feinsten. Was versteht Altes und Neues Testament unter Alter? Wo wird es explizit und implizit erwähnt und beschrieben? Ist es das Beste, was uns passieren kann, oder das Schlimmste am Ende des irdischen Lebens? Was sind die Kennzeichen gesunden Alterns? Wie geht alt und jung zusammen?
Die Autoren beschreiben eine Reihe von bekannten und weniger bekannten Persönlichkeiten des Alten und Neuen Testamentes und ziehen Schlussfolgerungen. Der Grundtenor: Das Alter in der Bibel ist nicht nur abschliessende Lebensphase, sondern Ziel aller Lebensphasen. Leben und damit auch das Alter am Ziel des Lebens, der Gemeinschaft mit Gott, orientiert. Am Alter lässt sich das Gottesverhältnis ablesen. Alter ist Zeugnis. Die Lebenserfahrung wirkt sich aus, hoffentlich in besonnenem Ratschlag, in reflektiertem Urteil, in Weisheit, in Ermutigung zum Leben, in Weitsicht.
Es gibt kaum ein Buch, aus dem ich in den vergangenen Monaten so viel gelernt habe. Mit Begeisterung las ich vom wohlbetagten Josua, der «noch viel Land einzunehmen hatte», von David und Barsillai, von Elihu und Hiob, von Elisabeth/Zacharias und Maria, von Simeon und Hanna, von der armen Witwe, vom alten Paulus (der zu seinem Alter steht; etwa Philemon 9) und andern. Spannend, wie es den Autoren gelingt, biblische Zusammenhänge aufzuzeigen, den Bezug zu damaliger und heutiger Kultur herzustellen und Mut zu machen, auch heute Alter als Chance und Potential für eine lebenswerte Gesellschaft zu beschreiben.
Ludwig Hasler: «Für ein Alter, das noch etwas vorhat – Mitwirken an der Zukunft»
Rüffer und Rub, Zürich, 2019. 138 S.
Der Mensch ist auf Zukunft angelegt. Er lebt davon, dass er etwas vorhat. Dumm, wenn wir meinen, die Erlebnisjagd würde uns glücklich und zufrieden machen. Alte sind nicht «Passivmitglieder der Gesellschaft», sondern «aktive Mitgestalter». Wir können wählen, was wir mit dem Alter anfangen. Alter hat Zukunft.
Ausgangspunkt des Nachdenkens ist das Einverständnis und die Freundschaft mit der Vergänglichkeit. Dieses JA könnte dem Alter eine Dimension verleihen, gegen die unsere Altersausflüge banal wirken (S.36). Was tun wir, so die zentrale Frage, mit geschenkten 25 Jahren, nicht nur für uns, sondern für die, die nach uns sind?
Solchen Frage spürt der knapp 80-jährige Hasler nach. Keine 25-Jahre-Siesta, nichts von permanentem Urlaub. Dafür: Tun was Sinn macht, Sinn stiften wo immer möglich, selber bewegen statt unentwegt bewegt werden, mitspielen statt zuschauen und beurteilen, neugierig bleiben, staunen, das Alter als Aufgabe sehen. Konkret: Wissen verfügbar machen, inspirieren, motivieren, mitgestalten, über sich hinausschauen – im Garten des Nachbarn, in der Quartierbeiz, im Sprachunterricht für Ausländer, im Verein, beim Fahrdienst anbieten, beim Lesezirkel, mit den Enkel.
Sehr lesenswert, speziell bei Interesse an Grundsatzfragen.
Verfasser: Markus Müller
Andreas Malessa: «Mann, bin ich jetzt alt? Zwischen Statusverlust und neuer Freiheit»
Verlag: Adeo Verlag, 2021.
Ich habe dieses Buch als Schon-fast-Betroffener gelesen. Mit Genuss! Andreas Malessa hat es als eigentlich-schon-Betroffener geschrieben, aber (vermutlich) nicht seine eigenen Erfahrungen beschrieben, sondern die Erfahrungen anderer Männer (und ihren Frauen). Er hat sie getroffen, um mit ihnen über die neue Lebenswirklichkeit nach der Pensionierung zu reden; und über ihre mehr oder weniger erfolgreichen Bewältigungsstrategien. Andreas Malessa beobachtet scharf, hört sehr genau hin und schreibt virtuos und ausgesprochen humorvoll. Den einen oder anderen Satz musste ich zweimal oder dreimal lesen – sei es, weil ich mich selbst darin wiederfand oder weil er so treffend Tiefgründiges beschreibt. Mit diesem Buch sitzt man zuhause bei Männern aus unterschiedlichen sozialen Schichten. Es lohnt sich definitiv, sich dazuzusetzen.
Das Buch atmet viel Menschenfreundlichkeit (Männerfreundlichkeit!). Ich habe verstanden, dass der Übergang in die nachberufliche Lebensphase gestaltet werden muss (und auch kann) und dass die eine oder andere Herausforderung nicht schon mit einem flotten Spruch bewältig ist. Aber diese Lebensphase hat auch Raum für viel guten Humor.
Verfasser: René Winkler
Markus Müller: «EIN JA MENSCH werden»
Verlag: SCM Hänssler, 2021. 320 S.
Nur 2 Buchstaben können unser Leben verändern: Das kleine Wort JA lässt Gottes Liebe in seiner Vollkommenheit aufleuchten. Auf eine sorgfältige und gut zu lesende Art nimmt uns Markus Müller mit auf eine Reise. Von Gottes JA zu dir und zu mir. Ist es dadurch möglich, ein JA – MENSCH zu werden inmitten aller persönlichen und weltumspannenden Nöte? JA. Zukunftsorientiert und ohne Krampf. Das Buch lädt dazu ein, in überraschende Worte von Gott hineinzuhorchen; in die Grundart des Denkens Gottes einzutauchen.
Die Liebe Gottes ist das grösste JA, das es gibt. Biblische und heutige Menschen kommen zu Wort. Durch das langjährige Begleiten von alten und sterbenden Menschen gelingt es dem Autor, auf tiefe Kostbarkeiten des inneren Menschen hinzuweisen. Ein JA zu finden, auch wenn der äussere Mensch abnimmt, ist ein Weg. Welche Schlüssel als Hilfen zur Verfügung stehen und praktisches Einüben sind im 2. Teil des Buches beschrieben. Die Möglichkeit aus unseren NEIN’s auszusteigen, macht richtig Freude. Es gibt ein JA-Land zu entdecken.
Verfasser: Ursula Fröhlich
Jürgen Werth: «… und immer ist noch Luft nach oben!» Entdeckungen beim Älterwerden
Verlagsgruppe Random House GmbH, München, 2018. 189 S.
Das Leben ist eine Wundertüte // Sich einmischen // Reisen ist gut, pilgern ist besser /// Ballast abwerfen // besitzen, nicht besessen werden // Mit dem grossen und kleinen Scheitern leben // Sich versöhnen mit seiner Geschichte // Regelmässig Erntedankfest feiern // Den Augenblick leben und lieben // Zum guten Schluss: Plus und Minus des Älterwerdens.
So und ähnlich lauten wesentliche Themen. Alter ist nichts Passives. Man sieht, was geworden ist. Innehalten tut gut. Zwei Zitate (S.23 und 32): «Neugierig bleiben. Unterwegs bleiben. Solange es geht. Darauf kommt es wohl an. Und sich immer neu darüber wundern, wie viel Luft nach oben da noch ist». Und: «Sei gespannt, was dir noch alles einfällt! Zufällt! Was. Oder wer. Sei gespannt, wer dir noch alles vor die Füsse fällt! Wir werden gebraucht, wir nicht mehr so ganz Jungen! Selbst wenn wir 94 sind.»
Jürgen Werth’s Buch ist gesunde Abendlektüre, leicht zu lesen, persönlich gehalten, erbaulich, inspirierend, heiter-nachdenklich. Jürgen Werth weiss: Dieses .Leben, schon gar nicht der Tod, ist das Letzte und hat das letzte Wort. «Wer nur den lieben Gott lässt walten …». Da ist Luft nach oben, Himmelsluft. Deshalb ein Hoffnungsbüchlein.
Verfasser: Markus Müller
Christiane Rösel: «Neugierig auf das, was kommt. Inspiriert älter werden.»
Verlag SCM, 2024
Hunderte von Kilometern trennen mich gerade von der Autorin dieses lesenswerten Buches. Beim Lesen aber fühlt es sich an, als würde ich in ihrem Wohnzimmer sitzen. Zwei funkelnde, neugierige Augen nehmen mich mit auf eine abenteuerliche Reise in das Land meines Älterwerdens. Christiane Rösel fordert mich heraus, fragt mich hartnäckig und geht mit mir den Weg meines eigenen Reifens.
In ihrem Buch schaut Christiane zurück in ihre Zeit der Flanellbilder und stellt fest, dass der Glaube von damals tiefe Wurzeln geschlagen hat. Aber wie geht es weiter? Was für ein Mensch will sie sein? Was will sie hinterlassen? Verändert ihr Glaube auch ihr Umfeld, oder werden Zweifel stärker, wenn Grenzen gesetzt werden, die im dritten Drittel des Lebens mit Sicherheit auch kommen?
Fragen an Gott haben Platz in ihren Gedanken und Gefühlen. Wer bist du Gott? Wo bist du gerade? Nicht immer kommt eine befriedigende Antwort. Ein Vers aus der Bibel hat sich tief in die Gedanken der Autorin eingebrannt. Er lautet: Wirf dein Vertrauen nicht weg. Und ein „trotzallemglauben“ steht auf. Wie gut!
Die Sehnsucht, Neues auszuprobieren lockt die Autorin scheinbar total. Ist es möglich, dass die Geschichte von Abraham aus der Bibel sich bei mir wiederholen könnte? Es sähe dann vielleicht etwa so aus: Aus dem Gewohnten raus, Grenzen überwinden, Kosten nicht scheuen, Einfachheit nicht erwarten. Ob das alles in eine neue, vielleicht andere, packende Freiheit führen wird?
Die Podcasterin hat viele Fragen. Wohltuend, dass sie dazu steht, auch nicht alles zu wissen.
In allem möchte sie mit Jörg Zink sagen: Was meine Zukunft bringen wird, weiss ich nicht. Ich muss es nicht wissen. Ich bin in Gott. Ich werde in Gott sein. Ich ruhe in der Ruhe Gottes. Das genügt mir.
Neugierig? Viel Spass beim Lesen.
Verfasserin: Hanna Dill
Markus Leser: «Herausforderung Alter - Plädoyer für ein selbstbestimmtes Leben»
Kohlhammer, Stuttgart, 2017. 248 S.
Markus Leser ist Gerontologe, Geschäftsführer von Curaviva Schweiz. Seine Überzeugung: «Alter und Altern brauchen dringend ein Umdenken», und: «Häufig ist nicht das Altwerden das zentrale soziale Problem, sondern falsche, veraltete oder fehlgeleitete Vorstellungen vom Alter» (S.9+11). «Es wird Zeit», so etwas später, «aus einem jahrzehntelangen Dornröschenschlaf zu erwachen».
Spannend, dass Markus Leser sein Buch humoristisch und mit vielen Zeichnungen / Karikaturen vom Ende her aufbaut. Kap. 1 heisst entsprechend «Das Ende zu Beginn». Tödlich sei nur die «ewige Kostendiskussion». Wer das Sterben in den Alltag zurückholt, lernt leben. Und Leben meint weit mehr als bloss an kopfloser Daueroptimierung und Lebensverlängerung zu arbeiten.
Demographische Herausforderungen («Alterstsunami») werden genauso verhandelt wie irreleitende Bilder und Mythen oder der Dialog von Wissenschaft (Gerontologie) mit der Gesellschaft. Weitere Themen: Lebensqualität, Heime als Lebensräume statt Orte des Sterbens, Wohnen im Alter, Wünsche und Abgründe im Älterwerden, Babyboomer im Test.
Lesenswert ist das Buch, weil Leser Alter und Sterben ins Leben holt, deutlich betont, dass Alter weder eine Frage des Geldes noch der Gesundheit ist, und Mut macht, nicht zuerst die Probleme, sondern die Chancen zu erkennen und mit ihnen zu arbeiten.
Verfasser: Markus Müller
Becca Levy: Du bist so alt, wie du dich denkst
Mosaik, München, 2023. 349 S.
Schon gewusst? Menschen mit einem hoffnungsvollen, positiven Altersbild leben im Durchschnitt 7½ Jahre länger, erholen sich bei Krankheit und Verletzung fast doppelt so schnell, verfügen über bessere Gedächtnisleistungen, erkranken halb so oft an Herzinfarkt/Herz-Kreislauf-Störungen, hören um 12% besser, sind stabiler im Gleichgewichtssinn und belasten trotz höherer Lebenserwartung das Gesundheitssystem weniger.
Die Grundthese der Yale-Professorin Becca Levy lautet: Nicht zuerst Ernährung, Bewegung oder Medikamente entscheiden über unsere Art, wie wir älter werden, sondern unsere Haltungen und unsere Einstellungen bzw. unser Denken und unsere Mentalitäten. Levy zitiert aus zahllosen wissenschaftlichen Untersuchungen und präsentiert die Ergebnisse in leicht verständlicher Sprache. Fazit: Du bist also nicht so alt, wie du dich fühlst, sondern so alt, wie du dich denkst.
Müsste ich fünf wirklich lesenswerte Bücher zum Thema Alter nennen, würde ich das Buch von Becca Levy ohne Zögern in die 5-er-Liste aufnehmen. Für alle, die sich für Kirche und Menschen über 55 interessieren würde ich sagen: Pflichtlektüre!
Verfasser: Markus Müller
Pasqualina Perrig-Chiello: «OWN YOUR AGE. Stark und selbstbestimmt in der zweiten Lebenshälfte»
Beltz, Weinheim und Basel, 2024. 285 S.
Der Buchdeckel bringt es auf den Punkt: „Wir bestimmen selbst, wie wir älter werden“. Pasqualina Perrig-Chiello hat Heilpädagogik studiert und war in Bern bis vor kurzem Professorin für (Entwicklungs-)Psychologie. Sie war auch Präsidentin der dortigen Seniorenuniversität.
In besonderer Weise fasziniert ist die Autorin des sehr lesenswerten Buches von den Lebensübergängen. Die drei Hauptkapitel sind: „Das dichte Leben: Der Übergang in die zweite Lebenshälfte“, „Tor zu neuen Freiheiten: Der Übergang ins Alter“, und: „Würde trotz Bürde: Der letzte grosse Übergang“. Auffällig in diesem Buch sind die zahlreichen praktischen Beispiele, die sehr weise ausgesuchten Zitate aus den vergangenen 2‘500 Jahren sowie der Rückgriff auf die vielen eigenen und fremden wissenschaftlichen Untersuchungen zum Thema, wie wir unser eigenes Älterwerden verantwortlich gestalten. 30% der Art, wie wir älter werden, seien genetisch bestimmt. Der Rest? Spannend, dass Perrig-Chiello im Unterkapitel „Die Lektionen des Lebens: Wege in eine sinnerfüllte letzte Lebensphase“ das 1942 formulierte Gebet des Theologen Reinhold Niebuhr als „elegante“ Zusammenfassung versteht (S.269): „Gib mir die Gelassenheit, Dinge zu akzeptieren, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom andern zu unterscheiden“.